Teil A- Übergeordnete städtebauliche Entwicklungslinien in der DDR

Teil B- Städtebauliche Entwicklung in Dresden

Teil C - Beispiele dieser Zeit

 


 


Teil A:
Übergeordnete städtebauliche Entwicklungslinien in der DDR


Die funktionelle Stadt II

1. Abkehr von stalinistischen Bauen (Chruschtschows baupolitischer Kurswechsel, erste Reaktionen in der DDR, neue Aufgaben im Systemwettbewerb, Orientierung am westdeutschen Bauen)

Chruschtschows baupolitischer Kurswechsel, erste Reaktionen in der DDR:
Stalins Tod 1953 leitete in der Sowjetunion einen baupolitischen Kurswechsel ein, der sich mit einer zeitlichen Verzögerung auch auf die DDR auswirkte. Getragen wurde dieser Kurswechsel von der Rückkehr zum Leitbild der funktionellen Stadt. Mit dem Beschluss über die Produktion von Stahlbetonfertigteilen waren die Bedingungen für eine breite Industrialisierung des Bauwesens auf der Basis des Montagebaus geschaffen. Auf der Moskauer Allunionsbaukonferenz im Dezember 1954 bekräftigte Chruschtschow die Forderung nach der Ausarbeitung von Typenentwürfen und der Industrialisierung des Bauens durch die Entwicklung der Fertigteilbauweise. Er griff das „schöne Bauen“ als Ursache der hohen Baukosten an und übte ideelle Kritik am Wesen der stalinistischen Architektur. In den Verzierungen der Gebäudefassaden mit dekorativen Elementen sah der Neue KPdSU-Vorsitzende keine baukünstlerische Gestaltung. Wenngleich Chruschtschows verbal noch am Kampf gegen den Konstruktivismus festhielt, machten seine Ausführungen zur Fassadengestaltung doch deutlich, dass er eben diesen zum architekturtheoretischen Programm erheben wollte.
Die Rede Chruschtschows schuf große Verwirrung und Unsicherheit in DDR. Was erst vor wenigen Jahren gegen vielfältige Widerstände durchgesetzt worden war, konnte nicht über Nacht als falsch hingestellt werden. Die Abkehr vom sozialistischen Realismus in der Architektur, die in der Sowjetunion als bewusstseinsbildende Maßnahme Teil der Entstalinisierung galt, musste in der DDR das gesamte auf der Verwendung nationaler Bauformen errichtete Gedankengebäude ins Wanken bringen und die Stellung der SED im Systemwettbewerb mit der BRD schwächen. Die Bauakademie erachtete es aus diesen Gründen richtig, am nationalen Bauen festzuhalten.
Dennoch wurde die Notwendigkeit der Kostensenkung im Bauen erkannt. Daher wurden Bemühungen um eine stärkere Berücksichtigung bautechnischer Bedingungen, dass heißt einer besseren Verknüpfung zwischen Technik, Wissenschaft und Kunst besonders hervorgehoben. Insbesondere der Aufwand für Architekturdetails sollte gesenkt werden. Zu diesem Zweck erhielt die Deutsche Bauakademie nach der Baukonferenz die Auflage für die in industrieller Bauweise auszuarbeitenden Typenserien, die weiterhin die kulturellen Traditionen zu berücksichtigen hatten, industriell herzustellende Bauelemente (Fenster- und Türeinfassungen, Verkleidungen usw.) zu entwickeln. Mit der sparsamen Verwendung von Architekturdetails konzentrierten sich die Bemühungen um eine nationale Architektur daraufhin auf kostenneutrale Gestaltungselemente wie der Symmetrie des Baukörpers oder dem Fensterformat.
Mit dem Kurswechsel in der Baupolitik rückte auch die Wohnungsbauproduktion in den Mittelpunkt. Maßnahmen zur Behebung des Wohnungsnotstandes konzentrierten sich bis 1953 auf die Instandsetzung kriegsbeschädigten Wohnraums. Ab 1954 wurden Arbeiterwohnungsbaugenossenschaften gegründet. Über den Zeitraum, der zur Überwindung des Wohnungsdefizits nötig sein würde, bestand Unklarheit, denn auch in der Bauwirtschaft gab es keine Perspektivplanung wie in anderen Bereichen der Volkswirtschaft auch.
In dieser von großer Unsicherheit geprägten Zeit schritt die Entwicklung in der Sowjetunion voran. Chruschtschows Kritik an der stalinistische Architektur setzte sich durch, das Zentralkomitee und der Ministerrat verurteilten den hohen Kostenaufwand für die Verwendung dekorativer, aus der Vergangenheit übernommener Elemente als Hindernis für die Produktion von mehr Wohnfläche. Das Hauptaugenmerk lag auf Fragen der Wirtschaftlichkeit. Sowjetische Architektur sollte sich nunmehr durch Einfachheit, Strenge der Form und Sparsamkeit der Lösungen auszeichnen.
Die geistige Abwendung vom nationalen Bauen hatte zwangsläufig die Orientierung am westlichen Baugeschehen zur Folge.
Für die Planung des neuen Wohngebietes Fennpfuhl in Berlin-Lichtenberg wurde 1956 ein gesamtdeutscher Städtebauwettbewerb vom Rat des Stadtbezirks ausgeschriebenen, zu dem 16 Architekten aus beiden deutschen Staaten eingeladen wurden. Den 1. Preis erhielt Ernst May aus Hamburg, den 2. Preis Otto Englberger von der Hochschule für Architektur und Bauwesen Weimar und der 3. Preis ging an Georg Funk von der Technischen Hochschule Dresden. Die Preisträgerentwürfe orientierten sich am modernen westlichen Städtebau mit offener, von der Straßenführung unabhängiger Bebauung. Schon während der Laufzeit des Fennpfuhl-Wettbewerbes wurde die SED Architekturkontrolle aufgehoben. Dies konnte für die DDR-Architekten als Signal zur Orientierung am wirtschaftlichen funktionellen Bauen gewertet werden. Innerhalb kürzester Zeit setzte sich die westliche Architektur in der Baupraxis durch.

2. Typisierte und industrialisierte Wohnungsbauproduktion (Ziel der Typisierung und Industrialisierung, Ziegelbauweise, Blockbauweise, Plattenbauweise, Raumzellenbauweise, Skelettbauweise, Widerstand gegen die zentrale Typenprojektierung

Auf der Baukonferenz der DDR 1955 bekräftigte auch Walter Ulbricht die Dringlichkeit der Typisierung und Industrialisierung im Bauwesen. Die Industrialisierung bezog sich sowohl auf die Vorfertigung der Bauelemente, die entsprechend den Bedingungen der maschinellen Massenfertigung eine Herstellung von hohen Stückzahlen identischer Fertigteil erforderte, als auch auf den Bauprozess, dessen Organisation auf der Basis der Takt- und Fließfertigung, die Montage einer großen Anzahl möglichst gleichartiger Gebäude verlangte. Die bisherige Einzelfertigung von Bauwerken war vom Prinzip der subjektiven Arbeitsteilung ausgegangen, dass heißt der Bauablaufplan wurde nach einzelnen, der Ausbildung der Handwerker entsprechenden Gewerke gegliedert. Wegen des unterschiedlichen Bauzeitbedarfs war jedoch keine kontinuierliche Beschäftigung der einzelnen Gewerke möglich. Stillstandzeiten im Bauablauf waren die Folge. Beim nunmehr eingeführten Prinzip der objektiven Arbeitsteilung als einer der maschinellen Produktion entsprechenden Form der Arbeitsorganisation wurde der Bauprozess so aufgeteilt, dass sich alle Phasen des Roh- und Ausbaus gleichzeitig mit gleicher Baugeschwindigkeit vollzogen. Brigaden, die sich nach den zur Ausführung des jeweiligen Takts notwendigen Handwerker zusammensetzten, spezialisierten sich auf einzelne Teilprozesse dieser Taktaufgliederung. So wurde der zeitlich zusammenhängende Bau von möglichst vielen Objekten desselben Typs, unter der möglichst lückenlos Beschäftigung aller Brigaden durchführbar. Die Dauer eines Takts richtete sich nach der Montagegeschwindigkeit des Krans und betrug beispielsweise bei einem aus vier Zweispännersektionen bestehenden fünfgeschossigen Wohnblock der Wohnbauserie 70 (WBS 70) zwölf Tage. Infolge des Ineinandergreifens der Taktschritte ergab sich für diesen Wohnblock eine Gesamtbauzeit von 38 Tagen. Der Bau von Typengebäuden ermöglichte die exakte Bestimmung der Bauzeit, der Arbeitskräfte, der Baumaterialien und der Baumaschinen.

3. Stadterneuerung (Ziel der Stadterneuerung, Extensive Stadtentwicklung, Maßnahmen der Stadterneuerung, Zeitliche Verschiebung der Erneuerungsmaßnahmen)

Die Baupolitik wurde seit 1955 zu einem immer engeren Bestandteil der Wirtschaftpolitik, wobei die kulturell-ästhetische Dimension der baulich-räumlichen Umwelt in den Hintergrund der Planungen rückte. Im selben Maße trat ihre materielle Bedeutung als Teil der volkswirtschaftlichen Grundfonds hervor. Die neue gesellschaftliche Hauptaufgabe, beinhaltete die Steigerung der Arbeitsproduktivität und führte über die Industrialisierung des Bauwesens und die angestrebte städtebauliche Struktur als Bedingung und Ziel des Reproduktionsprozesses der Bausubstanz zum Wandel im Umgang mit der vorhandenen Stadt. Eine Folge der Durchsetzung des industriellen Bauens war die Verlagerung der Bautätigkeit von innerstädtischen Gebieten auf unerschlossene Flächen am Stadtrand. Aufgrund spezifischer Bedingungen der Typenprojektierung und des industriellen Bauprozesses wurde das Bauen auf kleinen Standorten und insbesondere die Schließung einzelner Baulücken ineffektiv. Individuell zugeschnittene bebaubare Grundstücke in der Innenstadt ließen keine Anwendung der starren Typengebäude zu.
Die Altbaugebiete genügten nicht mehr den Anforderungen der Volkswirtschaft und wurden dem Stillstand überlassen. Die Erneuerung der Stadt machte somit die Neuordnung der Funktionen Wohnen/Arbeiten, den Ausbau des Straßennetzes und die Rationalisierung des Einzelhandelsnetzes erforderlich. Um die Effektivität der Produktion zu erhöhen, mussten Arbeitsstätten aus den Altbaumischgebieten verlagert und in Industriekomplexen konzentriert werden. Die Zusammenfassung von Gewerbebetrieben in Industriekomplexen ermöglichte die gemeinsame Nutzung von Nebenanlagen wie Sozial- und Verwaltungsgebäuden oder Reparaturstützpunkten, wodurch Investitions- und Betriebskosten gesenkt werden konnten.

4. Entstehung eines sozialistischen Baustils (Suche nach einer neuen Architekturtheorie, Industrielles Bauen unter marktwirtschaftlichen Bedingungen, Typisierung und Industrialisierung als Kriterium sozialistischer Architektur)

Der gesamte Wandel im Baugeschehen bis 1955 war ohne ideologische Legitimierung verlaufen. Das Ergebnis des Fennpfuhl-Wettbewerbs und die rasche Adaption an die westdeutsche Architektur nach der Aufhebung der Architekturkontrolle bedeutete für sozialistischen Städtebau zwangsläufig eine tiefe Krise. In der Öffentlichkeit machte sich so die Anschauung deutlich, dass es die Frage nach einer sozialistischen oder kapitalistischen Architektur gar nicht gäbe. Der zwangsläufige Rückschluss bedeutete, dass wenn sich die DDR-Architektur der westlichen annähert, so muss auch die ideologische Position des DDR-Sozialismus dem westdeutschen Gesellschaftssystem angenähert werden müssen. Die praktische Angleichung im Bauschaffen nach der 1955 gesicherten staatlichen Existenz der DDR bedeutete keine unmittelbare Bedrohung der Macht der SED mehr. Jedoch erforderte der Standpunkt der SED, wonach die friedliche Koexistenz beider deutscher Staaten keine ideologische Koexistenz von Sozialismus und Kapitalismus besagte, die verbale Abgrenzung von der westdeutschen Architektur. Das Kriterium sozialistischen Bauschaffens, nämlich die Industrialisierung des Bauwesens wurde die Hauptaufgabe der Baupolitik.
Auf der Grundlage des industriellen Bauens wurde die Entstehung eines „sozialistischen Baustil der Deutschen Demokratischen Republik“ postuliert. Weiterhin galt die Typisierung der Gebäude im städtebaulichen Ensemble als Zeichen sozialistischen Bauens. Die Kritik am westdeutschen Bauen verlagerte sich auf die dort vorherrschende individuelle Projektierung. Als exemplarisch für den westdeutschen Städtebau galt das zur Interbau 1957 errichtete West-Berliner Hansaviertel, was als Prototyp kapitalistischen Bauens tituliert wurde. Die Individualität im Bauen sollte überwunden werden.

5. Widerspiegelung der sozialistischen Lebensweise (Monotoniekritik, Vergesellschaftung von Wohnfunktionen, Offene Bebauung, Städtebauliche Ensembles)

Die mit der Typenprojektierung verbundene Monotonisierung des Wohnungsbaus stieß bald auf Kritik in der Bevölkerung.
Die Architekturdiskussion wurde 1962 Gegenstand einer Beratung des Zentralkomitees. Dabei wurde von der Auffassung abgerückt, Bauen sei vornehmlich ein technisch-ökonomischer Prozess. Man machte sich die öffentliche Kritik zu eigen und bemängelte, dass bei allen Erfolgen des industriellen Bauens die Entwicklung der künstlerischen Seite der Architektur vernachlässigt und die Gefahr der Monotonie nicht rechtzeitig gebannt worden sei. Die SED schob die Verantwortung den Architekten zu.
Auf der Suche nach Leitlinien zur baulich-räumlichen Umsetzung der sozialistischen Lebensweise in der architekturtheoretischen Forschung bedingte die Auseinandersetzung mit Ideen von Vertretern des utopischen Sozialismus wie Robert Owen, die im 19. Jahrhundert von kollektiven Lebensformen ausgehend konkrete Vorstellungen entwickelt hatten. Die utopische Sozialisten spielten keine Vorbildfunktion, da die Resultate vormarxistisches Denken darstellten. Vielmehr wurde ihnen unterstellt, ihre baulich-räumliche Ordnung liefe den Intentionen kollektiven Lebens zuwider und fördere den Individualismus. Dennoch wurde der von den utopischen Sozialisten vorgeschlagene Bau von Gemeinschaftseinrichtungen als räumlicher Basis der zu vergesellschaftenden Haushaltsfunktionen zu einem wesentlichen Kriterium des sozialen Inhalts der sozialistischen Stadt. Die Verlagerung von Haushaltsfunktionen in gesellschaftliche Einrichtungen eröffnete durch die Erschließung von Arbeitskräftereserven ein beträchtliches Potential zur Steigerung der materiellen Produktion. Die Ablösung der Frau von der Hausarbeit und ihre Eingliederung in den Produktionsprozess ermöglichte auch den Übergang von der extensiven zur intensiven territorialen Sicherung der materiellen Produktion. In Verbindung mit der Diskussion um kollektive Lebensformen entstanden in 60er Jahren in der DDR Projekte für den Bau von Großwohneinheiten, die der in den zwanziger Jahren entstandenen Konzeption sowjetischer Kollektivhäuser folgten. Die vertikale Überlagerung individueller und gemeinschaftlicher Wohnfunktionen sollte eine maximale Annäherung beider Bereiche bewirken und die Verflechtung des privaten und kollektiven Lebens fördern. Die Realisierung solcher Projekte scheiterte aufgrund der technischen Unmöglichkeit zur Herstellung baulicher Funktionsüberlagerungen. Dennoch bildete sich die Auffassung vom Wohnkomplex heraus, der nicht nur als Einheit zur rationellen Versorgung der Bevölkerung bestand, sondern dem in erster Linie eine gemeinschaftliche Aufgabe zugewiesen wurde. Aus dem hofbildenden „Häuserviertel“ des stalinistischen Städtebaus wurde die aus mehreren Zeilenbauten bestehende „Wohngruppe“. Mehrere Wohngruppen bildeten einen Wohnkomplex.
Ein weiteres Merkmal des sozialistischen Bauens wurde in der Abkehr von geschlossenen Bebauungsformen der frühen fünfziger Jahre gesehen. Die Forderung nach offenen Bebauungsformen kam gleichzeitig den Erfordernissen des industriellen Bauens entgegenkam. Diese Feststellung wurde ideologisch legitimiert. Das Prinzip der Blockbebauung führe nach Ansicht der politischen Führung zu voneinander isolierten Höfen und zu einem räumlichen und architektonischen Widerspruch zwischen Straße und Hofraum, was im Widerspruch zu den sozialistischen Lebensbeziehungen der Menschen stände. Die offene Bebauung sollte die Trennung zwischen privatem und öffentlichem Außenbereich aufheben und sämtliche Freiräume zu öffentlichen Räumen werden lassen.
Postulat einer im Sozialismus vorhandenen Identität privater und kollektiver Interessen musste gleichfalls in der Gestalt der Stadt zum Ausdruck kommen. Dies galt insbesondere für städtebauliche Ensembles. Die Aufgabe bestand darin, die den individuellen Wünschen privater Bauherren entspringende Vielgestaltigkeit der westlichen Stadt zu überwinden und eine harmonische, aufeinander abgestimmte, dem kollektiven Zusammenwirken entsprechende Stadtgestaltung zu erreichen. Die Vorstellung von Harmonie der Gesellschaft führte zur Auffassung von der Stadt als einheitlichem Bauensemble.

6. Synthese von Architektur und bildender Kunst (Überwindung der Monotonie, Gebäude als Großskulpturen)

Die Moskauer Allunions-Städtebaukonferenz hatte 1960 die Synthese von Architektur, monumentaler Malerei und bildender Kunst als Mittel zur Schaffung einer größeren künstlerischen Ausdruckskraft städtebaulicher Ensembles herausgestellt und so ein Mittel zur Überwindung der Monotonie angeboten.
Die Darstellungsfähigkeit der bildenden Kunst sollte über eine ästhetische Aufwertung der Gebäude hinaus deren nunmehr wieder konstatierten Ideengehalt zum Ausdruck bringen. Die Architektur erhielt damit von neuem eine Widerspiegelungsfunktion zugewiesen. Das angestrebte Zusammenwirken von Architekten und bildenden Künstlern realisierte sich erstmals 1962 auf der 5. Deutschen Kunstausstellung in Dresden. 1967 wurde eine Zentrale Arbeitsgruppe Architektur und bildende Kunst des BDA und des Verbandes Bildender Künstler Deutschlands gebildet. Dies war ein erster Schritt zu einer ständigen, organisierten Zusammenarbeit beider Verbände.
Eine anderes Konzept zur Synthese zwischen Architektur und Kunst war die Errichtung von Gebäude als Großskulpturen. Hierzu gehörten die Ausschmückung von Gebäuden mit Bildfriesen und das Aufstellen von Monumentalplastiken im Stadtzentrum. Es gab auch Planungen für eine Reihe von Stadtzentren, die die Errichtung von Gebäuden als Großskulpturen in der Funktion städtebaulichen Dominanten zur Charakterisierung der jeweiligen Stadt vorsahen. Angesichts der mit Typenprojekten wiederaufgebauten Stadtzentren sollte so jeder Stadt eine individuelle Note verliehen werden. Einzig für die Verlagsstadt Leipzig wurde ein Hochhaus in Form eines aufgeschlagenen Buches erbaut. Die Realisierung der meisten Bauten fiel dem Wohnungsbauprogramm des VIII. SED-Parteitag zum Opfer.

7. Wandlung des gesellschaftlichen Inhalts der sozialistischen Stadt (Abkehr von der kulturellen Höhendominante, Neue Zentrumsfunktionen)

Im Zuge der Entstalinisierung und der Verschiebung der gesellschaftspolitischen Prioritäten von der Befriedigung ideeller zur Befriedigung materieller Bedürfnisse, wandelte sich der gesellschaftliche Inhalt der sozialistischen Stadt und seine Wiederspiegelung im Stadtzentrum. Walter Ulbricht verwahrte sich gegen Chruschtschows Kritik am Bau von Turmhäusern, wonach Ende der fünfziger Jahre Städtebauwettbewerbe weiterhin vom Konzept der Magistrale und des Zentralen Platzes mit Höhendominante ausgingen. Die Wettbewerbsteilnehmer hatten sich mit dem Widerspruch zwischen erwünschter Turmform und den funktionalen Anforderungen eines Kulturhauses auseinander zusetzen, dessen Mehrzwecksaal als zentraler Teil des Gebäudes keine vertikale, sondern horizontale Ausdehnung der Baumasse verlangte.
Ludwig Weil verzichtete im 1959 ausgeschriebenen Wettbewerb für das Haus der sozialistischen Kultur in Dresden auf die gesellschaftliche Dominante. Sein Entwurf eines flachen Baukörpers wurde zunächst abgelehnt, 1969 dennoch fertiggestellt. Dieser Bau wurde für die gesamte DDR zum Signal zur Abkehr von der kulturellen Dominante. Die ideologische Legitimierung des Verzichts auf kulturelle bauliche Höhepunkte unterstrich, dass es die Volksverbundenheit der sozialistischen Kultur geradezu verbiete, Kulturhäuser gegenüber der Masse der übrigen Bauten hervorzuheben. Zeitgleich zur Abkehr von der kulturellen Höhendominante entstanden Zweifel am praktischen Wert der Magistrale und des Zentralen Platzes. Die politisch-kulturelle Zweckbestimmung des sozialistischen Stadtzentrums trat in den Hintergrund und die Notwendigkeit der Definition neuer Zentrumsfunktionen entstand.
Der kapitalistischen City als „Central Business District“ wurde das urbane, belebte sozialistische Stadtzentrum entgegengestellt. Der menschenleeren Stadtmitte sollte vor allem durch Wohnungsbau abgeholfen werden. Hinzu kamen zwei Grundfunktionen, die Austauschfunktion und die Funktion der gesellschaftlichen Leitung, d.h. Handel und Wirtschaft. Zum Wesensmerkmal des sozialistischen Stadtzentrums wurde der Warenverkauf.

Denkmalpflege

Mit Rückkehr zum Leitbild der funktionellen Stadt war wie im Zeitraum vor 1950 die gesamte Altbausubstanz einen starken Geringschätzung unterworfen. Die aus vorsozialistischer Zeit stammende baulich-räumliche Umwelt musste den Anforderungen der sozialistischen Lebensweise angepasst werden.
Kunsthistorisch wertvolle Bausubstanz in Stadtzentren, die in fünfziger Jahren für den Wiederaufbau vorbereitet wurden, fielen nun häufig gleichfalls dem Abriss zum Opfer. Heftige Auseinandersetzungen in Bevölkerung waren nur teilweise erfolgreich. Der historische Stadtgrundriss war gleichfalls von der Missachtung überlieferter Werte betroffen. In den Planungen zum Wiederaufbau der Stadtzentren in fünfziger Jahren wurde oft noch mittelalterliche Grundrisse beachtet, konnten mit der Großzügigkeit und Weiträumigkeit als Wesenszug sozialistischer Städte jedoch schwerlich in Einklang gebracht werden. Um den sozialistischen Charakter der Städte in der DDR zu veranschaulichen und sich von der Zurückgebliebenheit des westdeutschen Städtebaus abzugrenzen, der meist alte Grundrisse erhalten hatte, musste man sich vom Leitbild der schönen Stadt abwenden. Eine offene, helle Bebauung waren gefordert.

 


Teil B:
Städtebauliche Entwicklung in Dresden

Bruchteile der sozialistischen Großstadt

Nach Chruschtows Rede am 30.11.1954 auf der Allunionskonferenz der Bauschaffenden in Moskau wurde ein Richtungswechsel von der „schönen deutschen Stadt“ zur technologischen Optimierung des Bauwesens vollzogen. Am 21.04.1953 erging der Beschluss in den vier Aufbaustädten (Rostock, Magdeburg, Leipzig, Dresden) und Karl-Marx-Stadt sowie Stalinstadt „Chefarchitekten“ einzusetzen. Diese unterstanden dem Oberbürgermeister und trugen die Verantwortung für die Durchführung der Stadtplanungsarbeiten und der städtebaulichen und architektonischen Belange der Stadt. Die Chefarchitekten seien nötig, um die Perspektivplanung für dieses Städte sowie die architektonische Gestaltung ihrer Zentren und Wohnkomplexe richtig vornehmen zu können. In Dresden wurde Herbert Schneider am 01.07.1955 zum Chefarchitekten ernannt.

Der neu eingesetzte Beirat für Bauwesen kam nach einer Analyse der Berichte aller Institutionen in Dresden am 19.10.1955 zu dem Schluss, das die Planung der Magistrale Dresdens und die Stadtkomposition in der vorliegenden Form aus städtebaulichen, gestalterischen, funktionellen- und wirtschaftlichen Gründen abzulehnen sind. Fast alle Entwürfe werden als gleichförmig, ungeformt und spannungslos eingestuft, auch scheinbar nebensächliche Details werden kritisiert. Die Kritik führt zur Bildung einer Kommission zur Konsultation und Überprüfung der Planungen in Dresden. Das Wirken derartiger Kommissionen war bereits in anderen Städten sichtbar geworden. Es beinhaltete meistens eher eine Verschleierung von Defiziten durch die bürokratische Aufarbeitung der Probleme. Tatsächlich wir nur eine gewisse Auflockerung vorgeschlagen. Die Planungen zum zentralen Platz und zum Kulturhochhaus werden nicht in Frage gestellt. Das „Haus der Kultur“ sollte angesichts von Chruschtows Rede wie ein Rudiment alter Planungen wirken, steht es doch für Verschwendungssucht Stalins. Dennoch wird bis zum Sommer 1956 an der Konzeption festgehalten. Erst dann wird aus dem die Silhouette dominierenden Hochhaus ein schlankes Turmhaus. Aus dem Turmhaus wird 1959 ein freigestellter Turm. Danach wird der Gedanke an eine gesellschaftliche Dominante in Silhouette aufgegeben.

Quellen / Literaturtipps:

Nr. [6] - [7] - [8]


Teil C:
Beispiele für Gebäude, Ensembles und Objekte dieser Zeit

Andreas-Schubert-Bau (TU Dresden)

Montagehalle des ehem. VEB Transformatoren- und Röntgenwerk (TuR)

Trainingsstätte für Kunst- und Turmspringen ("Springerschule")

Verwaltungsgebäude der Wasserwirtschaftsdirektion
Obere Elbe – Mulde