Beispiele dieser Zeit


Übergeordnete städtebauliche Entwicklungslinien in der DDR


Die funktionelle Stadt III

1. Flächeneffektive Gebäudeentwicklung (Reduzierung der Frontlänge, Baukastensystem, ideologische Legitimierung)

Die Bemühungen um eine sparsamere Verwendung von Bauland führten zur Entwicklung neuer Wohngebäude mit geringerer einwohnerbezogenen Frontlängenanteil. Die Verkürzung der Frontlänge konnte durch die Erhöhung der Haustiefe erreicht werden. Der notwendige Boden konnte bei konstanten Gebäudeabständen so intensiver genutzt werden. Zugleich erlaubte eine so erzielte Reduzierung der Außenwandflächen die Einsparung hochwertiger Außenwandmaterialien und die Verringerung des Heizenergiebedarfs.
Zur Anwendung kam dieses neue Prinzip der Gebäudeplanung bei dem seit 1966 in Serie produzierten Plattenbau-Wohnungstyp P2, der auf eine 1961 abgeschlossene Grundlagenarbeit des Instituts für Hochbau der DBA und des VEB Typenprojektierung (Kollektiv Wilfried Stallknecht, Achim Felz, Herbert Kuschy) zurückgeht.

Das seit 1961 verfolgte Prinzip der radikalen Standardisierung hatte ein den Wohnungs-, Gesellschaft- und Industriebau umfassendes Baukastensystem zum Ziel. Ausgangspunkt war nicht die Typisierung von Bauwerken, sondern die Unifizierung von vielseitig anwendbaren Bauelementen, die zu Gebäuden unterschiedlicher Form und Funktion zusammengesetzt werden können. Im Unterschied zum Prinzip der geschlossenen Bausysteme unterliegen hierbei alle Gebäude einem einheitlichen Rastermaß. Mit Einführung des Baukastensystems kam es zur Umstellung in der Methode der Typenprojektierung. Projektierungsbetriebe und Vorfertigungswerke wurden den 1963 gebildeten Wohnungsbaukombinaten zugeordnet, um eine wirkungsvolle Verflechtung zwischen betrieblichen Notwendigkeiten und Möglichkeiten in der Vorfertigung und Bauausführung und den Vorstellungen der städtebaulichen Planung und Hochbauprojektierung zu ermöglichen. Der VEB Typenprojektierung wurde 1965 aufgelöst. Nunmehr oblag der Bauakademie die Ausarbeitung der konzeptionellen Grundlagen der Wohnungsbauserien. Die ausführungsfertige Projektierung übernahmen die Wohnungsbaukombinate, die so einen gewissen Spielraum bei der Schaffung bezirklicher Varianten von zentralen Typenserien erhielten. Die dezentrale Projektierung auf der Grundlage des einheitlichen Baukastensystems sorgte zugleich für mehr Wettbewerb in der Ausarbeitung von Entwurfslösungen, die im System der Katalogprojektierung als Angebotsprojekte zur Verfügung gestellt und im Eignungsfall von anderen Bezirken übernommen werden konnten. Die Variantenbildung der Wohnungsbaukombinate beschränkte sich weitgehend auf die Zusammenfassung der einzelnen Sektionen zu Wohnblöcken unterschiedlicher Länge.
Für die ideologische Legitimierung war die Distanzierung von der aufgelockerte Stadt nötig. Nunmehr wurde die kompakten Stadt als Kennzeichen sozialistischen Städtebaus angesehen. Man ging davon aus, um den sich immer mehr differenzierenden geistigen Bedürfnissen der Menschen ausreichend Gelegenheit zur Befriedigung zu verschaffen, bedürfe es am besten einer Gemeinschaft von 10000-20000 EW, wobei deren Konzentration auf einer möglichst geringen Fläche die Kommunikationsmöglichkeiten verbessere und damit die sozialistische Lebensweise fördere. Mit einer dichteren Bebauung verkürzten sich zudem für Teile der Bewohner die Wege zwischen den Wohnungen und gesellschaftlichen Einrichtungen.

2. Intensive Stadtentwicklung (Neues Ziel der Stadterneuerung, neuerliche Zeitverschiebung der Stadterneuerung)

Mit dem Übergang von der extensiv zur intensiv erweiterten Grundfondsreproduktion, vollzog sich auch der Übergang von der extensiven zur intensiven Stadtentwicklung. Das Stadtwachstum sollte sich nun nicht mehr horizontal, sondern vertikal vollziehen. Die bauliche Innenentwicklung entsprach der Voraussetzung für die ökonomische Realisierbarkeit der Stadtreproduktion. Teilweise war der Abriss und die Neubebauung von Altstadtgebieten billiger als der Neubau am Stadtrand. Ebenso war die Modernisierung von Gründerzeitbebauungen billiger als deren Abriss und die Neubebauung. Der Fünfjahrplan 1971-75 verstärkte so die Modernisierung in Gründerzeitgebieten. Der Flächenabriss der Altstadtkerne wurde um zehn Jahre auf Zeitraum nach 1980 verschoben. Durch die mit der Entspannungspolitik verbundene Öffnung zum Westen erhielten Bürger wie in der Zeit vor 1961 direkte Vergleichsmöglichkeiten zur BRD, wo die Wohnraumversorgung inzwischen weit besser war als in der DDR. Die Konzentration der Wohnungsbaukapazitäten auf den Neubau unter Vernachlässigung der Werterhaltung im Bestand hatte zur Folge, dass 1971 nur noch 20 % der Wohngebäude als gut erhalten eingestuft werden konnten, 64 % hatten geringe Schäden, 15 % schwerwiegende Schäden, 1 % war unbrauchbar.
1973 wurde vom Zentralkomitee der SED ein Wohnungsbauprogramm mit der Zielstellung bis 1990 die Wohnungsfrage zu lösen, beschlossen. Hierzu sollten im Zeitraum zwischen 1976 und 1990 bis zu drei Millionen Wohnungen neu gebaut oder modernisiert werden. Das Wohnungsbauprogramm wurde im neuen Parteiprogramm der SED zum Kernstück der Sozialpolitik. Da die rasche quantitative Ausweitung der Wohnfläche seit 1971 wiederum im Vordergrund der Wohnungsbaupolitik stand und Altstadtgebiete daher befristet weiter erhalten werden mussten, entwickelten sich die Städte bis Anfang der achtziger Jahre weiter extensiv. Die langfristig weiterhin zum Abriss bestimmten Altbauviertel wurden durch unterlassene Baurreparaturen dem allmählichen Verfall preisgegeben.

3. Rehabilitierung des Bauhauses und der Charta von Athen (Differenzierte Bewertung des Bauhauses, Kampf gegen die Konvergenztheorie, Ideologische Inanspruchnahme, Neuinterpretation des Leitbildes der schönen deutschen Stadt)

Die ideologische Fundierung des funktionalen Bauens in der DDR musste schließlich auch eine Anerkennung seiner theoretischen Ursprünge nach sich ziehen. Das Leitbild des DDR-Städtebaus der sechziger Jahre entsprach in vielem den Vorstellungen des CIAM, die industrielle Methoden der Bauausführung als bestimmend für den Bauprozess ansah. Auch der Bau von Gemeinschaftseinrichtungen als Erweiterung des individuellen Wohnbereichs und die Planung der Stadt unter dem Gesichtspunkt der größten Zeitersparnis waren schon von der CIAM gefordert worden. Allerdings setzte die Anerkennung des Bauhauses und der Charta von Athen eine ideologische Abgrenzung vom Westen voraus und konnte deswegen erst mit einer zeitlichen Verzögerung vollzogen werden.
Die Lockerung der Verbindungen zur BRD bildeten die Voraussetzung für eine differenzierte Beurteilung der Bauhaus-Architektur. Nachdem sich seit ungefähr 1960 sozialistische Architektur nicht mehr durch ihre Form, sondern durch ihren Inhalt definierte, konzentrierte sich Kritik am Bauhaus auf dessen sozialen Inhalt.

Quellen / Literaturtipps:

Nr. [6] - [7] - [8]

 

Teil C:
Beispiele für Gebäude, Ensembles und Objekte dieser Zeit

Centrum Warenhaus (heute Karstadt Schnäppchen-Center)

Kulturpalast

Zentrales Forschungsinstitut für Arbeit

Hauptstraße / Neustädter Markt

Robotron - Zentrum für Forschung und Technik

Wohn- und Geschäftsviertel Altgruna