Kurzcharakteristik
Lage: Teil der Achse Striesener Straße - Schandauer Straße,
Adressen: Borsbergstraße 14-32 und 19-33
Stadtteil: Striesen
Planer:

Herbert Schneider und Kollektiv (Städtebau)
Wolfgang Hänsch, Gottfried Kintzer, Gerd Dettmar (Projektierung)

Bauphase: 1955-1958
Kurzbeschreibung: beiderseitige 5-geschossige Wohnbebauung mit Ladenvorbauten, ein Café und südlicher Promenadenbereich, akzentuiertes 8-geschossiges Appartementhaus im Osten, 1.200 WE, Beginn der Großblockbauweise
Nutzung: Wohn- und Geschäftsstraße

Beschreibung:

Die Borsbergstraße ist eine der wichtigsten Anbindungen der Innenstadt an die östlichen Stadtteile und zudem eine bedeutende Einkaufsstraße des Stadtteils Striesen-West. Vor dem Krieg war dieses Gebiet dicht durch eine gründerzeitliche Blockbebauung bebauut. Reste hiervon finden sich noch in der Krenkelstraße/Ecke Borsbergstraße. Dominierend waren viergeschossige Gebäude mit einem ausgebautem Mansardedach und einer im Stil der deutschen Neorenaissance in Sandstein ausgeführten straßenseitigen Fassaden.
Die Wohn- und Geschäftshäuser der Borsbergstraße entstanden im Zentrum des Aufbaugebietes Striesen, das 1.200 Wohnungen aufnehmen sollte. Sie gelten als ein typisches Beispiel städtebaulicher Neuplanungen in der Wiederaufbauphase der 1950er Jahre. Erstmals wurden Gebäude in Großblockbauweise errichtet, die später als Wiederverwendungsprojekte auch in anderen Stadtteilen Dresdens gebaut wurden.

Um in kurzer Zeit den erforderlichen Wohnraum zur Verfügung zu stellen, entschied man sich für eine die rationale Bauart der Großblockbauweise. Dies entsprach der Forderung nach einer Industrialisierung im Bauwesen in der DDR (siehe Epoche 1950-1955).

1957 begannen die Aufbauarbeiten an der Borsbergstraße. Das notwendige Material für die Großblöcke lieferte der Ziegelschutt der kriegszerstörten Gebäude. Der Schutt wurde zerkleinert und im Anschluss zu den Bauelementen verarbeitet. Die Fertigstellung der Gebäude erfolgte 1958.
Mittels der neuartigen Bauweise konnten mit einem relativ geringen Arbeitsaufwand innerhalb von sechs Wochen 60 Wohnungen fertiggestellt werden. Durch die spätere Weiterentwicklung zur Plattenbauweise wurde die Fertigung der Großblöcke 1963 eingestellt.
Die Bebauung besteht hauptsächlich aus fünfgeschossigen Wohnhäusern mit einer Traufhöhe von 16 m beidseitig der Straße, die den Bezug zum historischen Straßenraum durch die Wiederaufnahme der ehemaligen Straßenfluchten in der Ladenzone des Erdgeschosses herstellen.

Auf der nördlichen Seite befinden sich zwei langgestreckte Blöcke mit einem Durchgang zur Mosenstraße. Diese Wohnzeile wird am östlichen Ende des Straßenraumes zurückgesetzt, so dass sich die Fußgängerzone platzartig erweitert und das Ende des Einkaufsbereiches signalisiert.

Am Westende schließt die neue Wohnzeile an die Gründerzeitbebauung an. Eine nahezu gleiche Anordnung der Gebäude findet sich am westlichen Eingang der Bebauung auf der Südseite der Straße wieder. Auch hier ergibt sich durch das Zurücksetzen eines Blockes eine Ruhe- und Grünzone. Die städtebauliche Dominante der Bebauung wird auf dieser Straßenseite durch ein achtgeschossiges Appartementhaus gebildet. Dieses steht quer zu den langgestreckten Wohnzeilen und wirkt dementsprechend optisch als räumlicher Abschluss.

Dieses städtebauliche Einheit bildet eine großzügige Einkaufsstraße. Daneben erzeugt die südliche Seite durch die Ausstattung mit Bäumen und Bänken in Verbindung mit einem breiten Fußweg einen Promenadenbereich, der dem Aufenthalts- und Kommunikationsbedürfnis der Nutzer entgegenkommt.
Die Baukörper sind durch die Betonung der Treppenhäuser vertikal gegliedert. Hier hebt sich der farbige Glattputz in Verbindung mit den großen, versetzten Fensteröffnungen von der übrigen Fassade ab. Die Geschossdecken sind bis zur Fassadenoberfläche geführt und zwischen dem farbigen Kratzputz gut ablesbar. Einen horizontalen Zusammenschluss bilden die langen, ungegliederten, 37° geneigten Satteldächer, die nach einem schmalen Gesims an die Fassade anschließen und im Straßenraum erlebbar sind.


Der in Großblockbauweise ausgeführte Gebäudetyp G5 ist als Scheibentragwerk konzipiert. Die tragenden Wandscheiben sind im Achsabstand von 3,75 m angelegt und bilden ein Auflager für die Ackermanndecke. Massive Außenwände sowie Mittelwandscheiben sorgen für die Längsaussteifung. Sowohl die Fertigteile dieser Umfassung als auch die tragenden Innenwände sind in Ziegelsplittbeton ausgeführt. Die angewendete, leicht modifizierte Ackermanndecke gehört zu den Stahlsteindecken. Das Dachtragwerk bildet ein Menzel- Kehlbalkendach. Dadurch konnte der Sparrenabstand mit 1,87 m ausgeführt werden.
Die Gebäude sind funktional geteilt in eine Erdgeschosszone mit Geschäften und den darüber liegenden vier Geschossen mit Wohnungen.

Die Verkaufsräume liegen 6,50 m vor der Hauptfassade. Diese Vorlagerung war nötig, da die Lastabtragung bei der verwendeten Bauweise zum damaligen Zeitpunkt noch nichts anders gelöst werden konnte. Die großen Schaufensterflächen im Verkaufsbereich werden durch Stahlbetonfertigteile ermöglicht. Im hinteren Bereich der Erdgeschosszone sind die Nebenräume für Lager und Personal angeordnet sowie die unabhängigen Anliefermöglichkeiten. Zwischen den einzelnen Läden befinden sich die Zugänge zu den Treppenhäusern der dahinter befindlichen Wohneinheiten.
Das Kellergeschoss in den Blöcken des Typs G5 beinhaltet Abstellräume für die Mieter. Darüber hinaus gibt es für die einzelnen Hausabschnitte gemeinschaftliche Waschküchen sowie Fahrradabstellräume. Ein separater Zugang verbindet das Untergeschoss mit dem Hof. Der vorgezogene Ladenbereich ist nicht unterkellert.
Die Wohnungen der oberen Geschosse sind als Dreispänner organisiert und werden durch großzügige helle Treppenhäuser erschlossen.

Die Grundrisse der Wohnungen sind in allen Etagen gleich. Es gibt 44 2-Raumwohnungen mit etwa 56 m² und insgesamt vier 4-Raumwohnungen mit etwa 90 m² an der Nahtstelle zum Appartementhaus. Die Wohnungen verfügen über ein Wohn- und Schlafzimmer, eine Außenküche, ein mechanisch entlüftetes Innenbad mit Badewanne und einen Abstellraum. Nach Süden orientierte Wohnungen verfügen über einen Balkon, der bewusst als Gestaltungselement eingesetzt wurde.

Das markante 27 m hohe Appartementhaus an der Ecke zur Müller-Berset-Straße steht im rechten Winkel zu der durch einen Verbindungsbau angeschlossenen Bebauung an der Borsbergstraße.

Das Hochhaus wurde in Mischbauweise errichtet. Das Erdgeschoss ermöglicht durch die Ausführung in Skelettbauweise die Schaffung von Verkaufsräumen mit flexiblen Grundrissen. Der Rest des Gebäudes entstand in Blockbauweise. Vorgefertigte Ackermanndecken bilden auch hier die Abschlüsse der Geschosse. Das Dach ist ein Flachdach aus Betonfertigteilplatten und zeigt einen auffallenden Dachüberstand.
Die ansprechende Ausgestaltung der Fassade wird durch die aufgelöste Erdgeschosszone und durch die strukturierte Anordnung der übereinander liegenden dreieckigen Balkone erreicht und durch das auskragende Dach abgeschlossen. Die Fassaden des Ensembles waren ursprünglich mit einem gelben und taubenblauen Anstrich versehen, der Giebel hingegen war rot.
Das Hochhaus ist wie die Zeilenbebauung funktional geordnet und bietet im Erdgeschoss Verkaufsflächen für drei Läden.
Während die oberen Geschosse 40 1-Raumwohnungen und 37 2-Raumwohnungen aufnehmen, war das letzte Geschoss an der Ostseite für fünf Atelierräume für Dresdner Künstler mit zugeordneten Ein- bzw. Zweiraumwohnungen bestimmt.
Die Erschließung erfolgte über einen Mittelgang. Der Ausstattungsgrad der kompakten Wohnungen ist minimal. Für jeweils vier Wohnungen war ein Gemeinschaftsbad auf dem Gang vorgesehen.

Denkmalpflege:

Das Ensemble der Borsbergstraße steht als Kulturdenkmal des Freistaates Sachsen unter Denkmalschutz. Es ist ein Dokument des Beginns der Großblockbauweise in Dresden und ein prägnantes Beispiel für den Übergang des Bauens nach dem Stil der „Nationalen Tradition“ zu einer modernen Bauweise in der DDR.
Die Borsbergstraße entstand nachdem 1955 in der DDR beschlossen wurde, das Bauwesen zu industrialisieren. Die Erfordernis resultierte ökonomischen Gründen. Die Voraussetzung war zunächst die Typisierung der Gebäude.

Über deren Auswirkungen auf formale Aspekte der Architektur bestand jedoch keinesfalls Einigkeit. Ästhetische Bedürfnisse, der Anspruch auf Individualität und wohnliche Geborgenheit standen hinter den Fragen der technischen Bewältigung des industriellen Bauens. Die Borsbergstraße kann als Synthese zwischen historisch Überkommenem und zeitgenössischen Architekturströmungen bezeichnet werden. Die neue Bauweise wird nicht verleugnet, jedoch wird auf die vorhandene Bebauung Bezug genommen. So konnte man der Gefahr der Monotonie entgehen.
Die ehemals unter dem Namen Wohnkomplexzentrum Striesen geführte Bebauung an der Borsbergstraße besitzt unter heutigen Standpunkten räumlich-funktionale Qualitäten und steht in seiner Ensemblewirkung als gutes Beispiel für den Anfang der Industrialisierung des Bauwesens in der DDR.

LINK:

www.borsbergstrasse.de

Eine super-ausführliche Seite zur gesamten Geschichte der Borsbergstraße, mit Details zur Geschichte, zum Wiederaufbau, zu den Einkaufsmöglichkeiten und einigen historischen Impressionen. Gestaltet von einem Bewohner der Straße.

Quellen / Literaturtipps:

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